(Ein)Blick in unsere Geschichte – Ein verletzter Herzog, Teerbrennerei und eine Heimatstube
Nahe bei Ueckermünde liegt das Örtchen Liepgarten, idyllisch in viel Grün und einer Umgebung, die das nahe Stettiner Haff schon erahnen lässt. In Liepgarten eine kleine Zeit zu verweilen, kann sich lohnen, denn das ursprünglich von Slawen errichtete und besiedelte Dorf bietet mehr als den schnellen Weg zum Haff. Und auch wenn man den Aussichtsturm auf dem Apothekerberg im Moment nicht besteigen kann, lässt sich von diesem höchsten Punkt der Umgebung (23,6 m ü. NN) doch das darunterliegende Dorf und die weite Sicht vermuten.
Wie alt das Dorf wirklich ist, lässt sich zwar nicht klären, aber 1241 findet sich eine urkundliche Erwähnung des Ortes. Die Kirche des Ortes wird beinahe 30 Jahre später erstmals erwähnt, am 2. Januar 1270 weist Barnim I. die Kirche dem Patronat des Klosters Ueckermünde zu. Zum Dorf gehören außerdem die Teile Jädkemühl (hier befanden sich die königliche (Ober)Försterei und eine Holländerei), Waldfrieden, Kirchenbruch, Starkenloch und Mühlenfeld. Der Ortsname Liepgartens leitet sich übrigens wie so oft aus dem Slawischen ab als „lipegora“, was Lindenberg (lipa – Linde, góra – Berg) bedeuten würde. Vor allem im 18. und frühen 19. Jahrhundert hätte man die Namensbedeutung auch noch anders auslegen können, als man Liepgarten noch als Liebgarten beschrieb.
Liepgarten blickt auf eine lange Geschichte zurück, die so manches Glück und Unglück über das Dorf brachte. Während der Ort seine Hochphase vor 1618 mit mehreren Bauersfamilien und Kossäten, die zu der Zeit hier lebten, hatte, ließ der Dreißigjährige Krieg und dessen Grausamkeiten das Dorf zeitweise unbewohnt zurück. Nach dem Krieg, besonders im 19. Jahrhundert, wuchs die Bevölkerung wieder stetig an, um 1847 waren bereits an die 470 Bewohner im Ort und um 1867 schon mehr als 180 Familien. Die Dorfgröße wuchs auf 826 an. Zur folgenden Jahrhundertwende zählte der Ort bereits über 1000 Einwohner. Wirtschaftlich prägten Liepgarten zu dieser Zeit die Arbeiten in den Teerbrennereien (in Jädkemühl, Meiersberg und Barenkuhl) und den umliegenden Ziegeleien. Die Teerherstellung war ein sehr aufwändiges und auch schon in früherer Zeit selteneres Handwerk. Auch die Nähe zu der den Ort im Osten begrenzenden Uecker war vor allem für die Kahnschifffahrt bedeutsam, diese Bedeutung hat die Uecker heute nicht mehr, es gelten nur noch wenige Kilometer als wirkliche Bundeswasserstraße.
Nahe Liepgarten wäre wohl beinahe auch einmal ein pommerscher Herzog zu Tode gekommen. Eine Hirschjagd 1488 endete für den Herzog Bogislaw X. (er vereinte 1478 Pommern unter seiner Regierung) mit einer schweren Verletzung, nachdem er das Tier bis nach Liepgarten verfolgt hatte. Der Herzog erholte sich aber in Ueckermünde auf wundersame Weise von der zugefügten Wunde und starb erst 1523.
Wer in Liepgarten zu Besuch ist, der sollte die Gelegenheit nutzen und auch in der Heimatstube Liepgartens vorbeischauen. Geführt seit 1994 von freiwillig engagierten Liepgartenern, die sich dem Erhalt dieser und weiterer hinzukommender Zeitzeugnisse verschrieben haben, öffnet sich an jedem zweiten Samstag im Monat von 14 bis 16 Uhr oder auch nach Vereinbarung die Tür des alten Schulgebäudes, in dem sich Varia aus verschiedenen Jahrhunderten und zeitgeschichtlichen Hintergründen verbergen. Hier findet sich vieles Bekannte, aber auch so manch Skurriles, zu dem es Geschichten gibt, die sich dem Interessierten durch herzliche Gespräche eröffnen und die sich auch durch das eigenständige Erkunden offenbaren können, denn in der Heimatstube Liepgarten ist anfassen ausdrücklich erwünscht. Und was aufgrund der zwei bereitstehenden Räume zunächst etwas überwältigend wirkt, offenbart die ganze Mühe, die in den Aufbau und die Darbietung der Objektsammlung floss und weiter fließt. Wer Liepgarten also einmal besuchen möchte, kann sich nicht nur an der schönen Umgebung erfreuen, sondern sich auch anschauen, was über die Jahrhunderte hinweg im Ort wichtig gewesen ist und die Zeit überdauerte.
Teresa Mirasch