Eine besondere Geschichtsstunde

Einmal im Jahr haben die 5. Klassen der Regionalen Schule Ueckermünde die Chance, Geschichte hautnah zu erleben. Was sich zunächst wie eine normale Schulstunde anhört, entpuppt sich als aufregendes Abenteuer in der Vergangenheit. In der St. Marienkirche erwartet sie Schüler und Schülerinnen eine ganz besondere Geschichtsstunde – sie tauchen ein in die Zeit der Reformation um 1500  und treffen auf historische Figuren wie Katharina von Bora, Johannes Bugenhagen und sogar Martin Luther höchstpersönlich.

Schon beim Betreten der Kirche wird den Schülern klar: Das hier wird kein normaler Unterricht. Sie werden von Menschen in historischen Kostümen empfangen und dürfen selbst in Kutten schlüpfen, um sich wie Zeitgenossen Luthers zu fühlen. Katharina von Bora, die Frau Martin Luthers, und ihre Freundin Marie, mit der sie aus dem Kloster geflohen war, begrüßen die Schülerinnen und Schüler. Neben ihnen stehen weitere prägende Figuren der Reformationsgeschichte: Johannes Bugenhagen, der Katharina und Martin Luther getraut hatte, sowie der berühmte Gelehrte Philipp Melanchthon, der nicht nur als Übersetzer der Bibel bekannt ist, sondern auch als einer der klügsten Köpfe seiner Zeit galt. Mit dabei ist auch Hanne, die Haushälterin der Familie Luther, die die Kinder durch das Leben im Hause des Reformators führt. Dann beginnt die Reise in die Vergangenheit.

Marie entführt die erste Gruppe hinter eine dicke Holztür. Hier ist ein Auszug aus Luthers Thesen angeschlagen. Die Kinder lesen diesen laut vor und reden über ihre eigenen Gedanken dazu. Danach dürfen sie selbst Gedanken zu Papier bringen und diese anschlagen.

Philipp Melanchthon, der „gelehrteste unter den Gelehrten“, nimmt die zweite Gruppe mit auf eine spannende Reise in die Welt der Sprache. Zunächst steigen die Schüler über steile Treppen in die erste Etage des Kirchturms. Hier erfahren sie, wie Melanchthon und Luther die Bibel übersetzten und dürfen sich selbst im Übersetzen ausprobieren. Es ist gar nicht so leicht, einen Text von einer Sprache in die andere zu übertragen – doch Melanchthon erklärt es den Kindern mit viel Geduld.
In einer dunklen Kammer erwartet Hanne, die Haushälterin Luthers, die dritte Gruppe. Bei Kerzenschein erzählt sie von Luthers Jugend, seinen Studien und wie er zum Glauben fand. Die Kinder erfahren, warum er die Bibel interpretierte und schließlich seine 95 Thesen verfasste, die die Welt veränderten. Besonders interessant war die Geschichte der Bücher: Damals, vor dem Buchdruck, waren Bücher nämlich so teuer wie Autos heute, da sie alle von Hand geschrieben wurden. Am Ende dieser spannenden Station durften die Schüler ihre eigenen Wünsche für die Zukunft aufschreiben – inspiriert von Luthers freiem Denken und Bugenhagens Einsatz für Bildung für alle.

Der Ablasshandel wurde Thema der vierten Gruppe. Johannes Bugenhagen erklärte, wie man damals Sünden mit Ablassbriefen loswerden konnte und wie Luther gegen diese Praxis vorging. Beispielsweise mussten 5 Gulden für einen Ablassbrief gezahlt werden, wenn man beim Lügen erwischt wurde und einem die Strafe im Jenseits erlassen werden sollte. Luther war ein Verfechter von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit und davon überzeugt, dass Menschen nicht mit Geld von Sünde befreit werden können.

Zum Abschluss fügten alle vier Gruppen verschiedene Symbole zum Wappen Luthers, der Lutherrose, zusammen. Dabei erfahren sie, was es mit diesen Symbolen und deren Farben auf sich hat und warum sie so wichtig waren. Diese besondere Geschichtsstunde in der St. Marienkirche ist mehr als nur Unterricht – sie ist eine Reise in die Vergangenheit, bei der die Schülerinnen und Schüler Geschichte hautnah erleben dürfen.

Die Idee, ihnen die Reformation näher zu bringen, entstand im Rahmen der Feierlichkeiten zum 500-jährigen Reformationsjubiläum im Jahr 2017 und wird seitdem jedes Jahr mit großem Engagement u.a. von Pfarrer Stephan Leder, Pfarrerin Susanne Leder und Thomas Bauch-Kröhnert wiederholt. Ein Erlebnis, das den Kindern noch lange in Erinnerung bleiben wird und ihnen gezeigt hat, wie spannend Geschichte sein kann.

PM